Transgenerationale Vererbung bedeutet, dass Merkmale oder Eigenschaften von einer Generation auf die nächste übertragen werden. “Trans” bedeutet hierbei “darüber hinaus” und bezieht sich auf die Weitergabe von Generation zu Generation. Hier denkt man vielleicht zunächst an Eigenschaften wie Augenfarbe, Haarfarbe oder Körpergröße. Dabei können aber auch psychische Störungen, Suchterkrankungen oder Bindungsmuster   transgenerational übertragen werden – oder zumindest psychische, soziale oder körperliche Einflüsse, die diese begünstigen. Unterschiedliche Mechanismen können hierbei eine Rolle spielen. 

    Es gibt viele Studien, die zeigen, dass traumatische Erfahrungen, wie z. B. Krieg, Naturkatastrophen oder Missbrauch, Auswirkungen auf die Gesundheit und das Verhalten von Menschen haben können. Dies kann nicht nur für die betroffene Person selbst Folgen haben, sondern auch für zukünftige Generationen. So können Erfahrungen, die Eltern gemacht haben, Auswirkungen auf ihre Kinder haben, ohne dass diese sie selbst erlebt haben. Zum Beispiel hatten Kinder von Überlebenden des Angriffs auf das World Trade Center, die davon nicht direkt betroffen waren, trotzdem eine höhere Wahrscheinlichkeit, psychische Probleme zu entwickeln.1 

    Psychische Erkrankungen bzw. Störungen kommen außerdem gehäuft in Familien vor: Wenn ein:e Verwandte:r  ersten Grades an einer Schizophrenie erkrankt ist, erhöht sich das Risiko, die Krankheit zu entwickeln, um ein Zehnfaches.2 Ein erbliches Risiko besteht auch bei anderen psychischen Störungen.3 Suchterkrankungen können ebenfalls transgenerational vererbt werden. So haben Kinder von alkoholabhängigen Eltern ein höheres Risiko, selbst eine Suchterkrankung zu entwickeln.4 Hierbei wirkt die genetische Anlage zusammen mit dem Umfeld, in dem das Kind aufwächst und seinen Erfahrungen. 

    Bindungsmuster, die in der Kindheit erlernt werden, können auch von einer Generation auf die nächste übertragen werden. So wurde herausgefunden , dass Menschen, die in ihrer Kindheit eine unsichere Bindung zu ihren Eltern hatten, eher dazu neigen, in ihren eigenen Beziehungen selbst unsichere Bindungsmuster zu entwickeln.5 Dies kann sich auch auf deren eigene Kinder auswirken und zu ähnlichen Bindungsmustern führen. 

    Es ist aber wichtig zu betonen, dass transgenerationale Vererbung nicht automatisch bedeutet, dass eine Person das gleiche Schicksal wie ihre Eltern erleiden wird. Es gibt Vieles, was die Ausprägung von Merkmalen oder Eigenschaften beeinflussen kann, einschließlich der Umwelt, persönlicher Erfahrung und individueller Resilienz (siehe hier und hier). 

     

     

     

    1. Chemtob, C.M., Nomura, Y., Rajendran, K., Yehuda, R., Schwartz, D., Abramovitz, R. & Bromet, E.J. (2011). Impact of maternal posttraumatic stress disorder and depression following exposure to the September 11 attacks on preschool children’s behavior. Journal of Traumatic Stress, 24(1), 44-50[]
    2. Gejman, P. V., Sanders, A. R., & Duan, J. (2010). The role of genetics in the etiology of schizophrenia. The Psychiatric clinics of North America, 33(1), 35–66. https://doi.org/10.1016/j.psc.2009.12.003[]
    3. Radhakrishnan, R., & Wilkinson, S. T. (2017). Genetic and epigenetic mechanisms underlying mood and anxiety disorders: From biology to treatments. International Journal of Neuropsychopharmacology, 20(3), 177-188[]
    4. Schuckit, M. A. et al. (2012). A longitudinal study of children of alcoholics: predicting young adult substance use disorders, anxiety, and depression. In: Journal of Studies on Alcohol and Drugs, 73(5), S. 741-750[]
    5. Lieberman, A. F. & van Horn, P. (2014). Psychotherapy with Infants and Young Children: Repairing the Effects of Stress and Trauma on Early Attachment. New York: Guilford Press[]