Dies ist ein vierteiliger Artikel. Hier findest du den Link zu Teil 1: Sexueller Missbrauch im Kindes- oder Jugendalter und hier den Link zu Teil 2: Wie kommt es zu sexuellem Missbrauch an Kindern oder Jugendlichen? Den dritten Teil dieser Reihe findest du hier: Sexueller Missbrauch im Kindes- oder Jugendalter betrifft Mädchen und Jungen.

     

    Wie bei allen belastenden Kindheitserfahrungen lassen sich kurz- und langfristige Folgen sexuellen Kindesmissbrauchs unterscheiden. Dabei ist es wichtig, dass die Folgen für Kinder und Jugendliche, die so etwas erleben mussten, sehr unterschiedlich ausfallen können. Mögliche kurzfristige Folgen sind vielfältig und können sich in emotionalen oder körperlichen Reaktionen, aber auch in Auffälligkeiten im Sozialverhalten oder in einem unangemessenen Sexualverhalten zeigen. Unmittelbar nach der Tat können Schulprobleme, Schlaf- und Essstörungen sowie Gefühle von Verwirrung, Angst, Wut, Scham, Demütigung, Wertlosigkeit oder Schuld auftreten. Außerdem kann es zu Weglaufen, aggressivem Verhalten gegen sich oder andere und auch sexualisiertem Verhalten kommen. 1 Die erlebten Gefühle von Machtlosigkeit können zudem zu sozialem Rückzug und Antriebslosigkeit führen. 2

    Darüber hinaus können körperliche Verletzungen, die direkt mit dem sexuellen Missbrauch in Verbindung stehen, sichtbar werden. Aber auch sogenannte psychosomatische Beschwerden, wie z. B. Hals-, Kopf- und Magenschmerzen, die nicht Folge einer körperlichen Erkrankung sind, können auftreten. 1 Junge Männer, die Opfer sexueller Gewalt wurden, zeigen häufiger aggressives Verhalten oder werden straffällig. 3 Wenn der sexuelle Kindesmissbrauch innerhalb der Familie stattfand, gibt es Hinweise darauf, dass die körperlichen und emotionalen Reaktionen stärker ausfallen. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass diese Kinder oder Jugendlichen meist über einen längeren Zeitraum sexuell missbraucht wurden und einen starken Vertrauensbruch erleben mussten, wenn der oder die Täter:in eine enge Bezugsperson ist. Daraufhin erleben betroffene Kinder und Jugendliche meist ein starkes Gefühl von Schuld und Misstrauen. Bei ihnen wird zudem fünfmal häufiger eine Angststörung diagnostiziert. 4

    Zu den möglichen Langzeitfolgen von sexuellem Missbrauch in der Kindheit oder Jugend gehören viele verschiedene psychische Auffälligkeiten oder Störungen. Daher ist es auch hier wichtig zu erwähnen, dass sich solche Störungen entwickeln können – aber nicht müssen. Es gibt also keine “typischen” Folgen des sexuellen Missbrauchs. Im Nachgang solcher Erfahrungen können sich unter anderem Persönlichkeitsstörungen ausbilden. Hierbei hebt sich das Erleben und Verhalten der Betroffenen deutlich von dem Verhalten der meisten Menschen ab. Untersuchungen weisen darauf hin, dass Kinder, die sexuellen Missbrauch erleben mussten, vor allem ein erhöhtes Risiko haben, eine sogenannte Borderline-Persönlichkeitsstörung zu entwickeln. Diese ist unter anderem durch Stimmungsschwankungen, Depressivität und intensive, aber instabile Beziehungen gekennzeichnet, bei der Betroffene häufig eine große Angst verspüren, verlassen zu werden. Außerdem kann der sexuelle Missbrauch so traumatisch sein, dass Betroffene als Folge eine sogenannte posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Dies ist vor allem bei langanhaltendem und häufigem sexuellen Missbrauch kombiniert mit Gewalt gegeben. Weitere mögliche Folgen sind ein ausgeprägtes Suchtverhalten, selbstschädigendes Verhalten, Depressionen, Angstzustände oder Probleme mit der eigenen Sexualität. 15 Es wird zudem vermutet, dass die Erfahrung von sexuellem Missbrauch im Kindesalter später als Elternteil zu vermehrtem Stress und einem verminderten Gefühl von Kontrolle führt. 6 Die Ausprägung von langfristigen psychologischen Auswirkungen hängt darüber hinaus mit der Art des sexuellen Missbrauchs zusammen. Bei sehr intensivem sexuellen Missbrauch, langanhaltendem Missbrauch, Missbrauch in Verbindung mit Drohungen oder Gewalt, Missbrauch durch den Stiefvater, Missbrauch in Verbindung mit Schuldzuweisungen an das Kind und einem jüngeren Alter des betroffenen Kindes ist das Risiko für langfristige psychologische Folgen am höchsten. 4

    Abschließend möchten wir dir unbedingt sagen, dass du nicht allein bist. Viele mussten diese Erfahrung in ihrer Kindheit oder Jugend machen. Heutzutage gibt es viele Hilfsangebote, an die du dich werden kannst. Informationen hierzu findest du hier.

     

    1. Pohling, A. (2021). Artikulationen sexueller Gewalt. Biographien, Diskurse und der Übergang zum Sprechen. Wiesbaden. Dissertationsschrift Goethe-Universität Frankfurt am Main.[][][]
    2. Fegert, J. M., Hoffmann, U., Spröber, N., & Liebhardt, H. (2013). Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 56(2), 199-207.[]
    3. Gauthier-Duchesne, A., Hébert, M., & Blais, M. (2021). Child sexual abuse, self-esteem, and delinquent behaviors during adolescence: The moderating role of gender. Journal of interpersonal violence, 08862605211001466.[]
    4. Gekoski, A., Davidson, J. C., & Horvath, M. A. (2016). The prevalence, nature, and impact of intrafamilial child sexual abuse: findings from a rapid evidence assessment. Journal of Criminological Research, Policy and Practice.[][]
    5. Hailes, H. P., Yu, R., Danese, A., & Fazel, S. (2019). Long-term outcomes of childhood sexual abuse: an umbrella review. The Lancet Psychiatry, 6(10), 830-839.[]
    6. Hugill, M., Berry, K., & Fletcher, I. (2017). The association between historical childhood sexual abuse and later parenting stress: a systematic review. Archives of women’s mental health, 20(2), 257-271.[]