Belastende Kindheitserlebnisse können negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit im Erwachsenenalter haben. Mit zunehmender Anzahl belastender Kindheitserfahrungen steigt das Risiko, später erhebliche Beeinträchtigungen des Erlebens und Verhaltens auszubilden. Hierzu zählen zum Beispiel:

    • Alkohol- und Drogenmissbrauch
    • Gewalt gegen andere
    • Gewalt gegen sich selbst/Selbstverletzendes Verhalten
    • Depressivität
    • Ängstlichkeit
    • niedrigere Lebenszufriedenheit
    • Probleme mit eigener Elternschaft

    Nachgewiesen sind besonders starke Zusammenhänge mit den vier erstgenannten Punkten. 123

    Alle Formen negativer Kindheitserfahrungen haben eine gemeinsame Folge, nämlich Stress. Er entsteht, wenn das innere Gleichgewicht eines Menschen gestört wird und die Fähigkeit, die äußeren Einflüsse zu bewältigen, stark beansprucht oder überstiegen wird. Dieser Stress kann das Gehirn langfristig beeinflussen und damit Erleben und Verhalten auch viele Jahre danach noch prägen.

    In der Folge können Probleme bei der Entwicklung eines positiven Selbstbildes auftreten, viele Betroffene sind außerdem unsicher im zwischenmenschlichen Umgang. Während sich bei Frauen häufiger Gedächtnisprobleme, Angst und Depressionen ausbilden, zeigen sich bei Männern eher aggressive und riskante Verhaltensweisen. 45

    Lange ging man davon aus, dass das Gehirn ab einem gewissen Alter ausgereift ist und sich danach nicht mehr verändert. Dies würde bedeuten, dass negative Erlebnisse in der Kindheit Schäden anrichten, die nicht mehr zu beheben sind. Neuere Erkenntnisse aus Hirnforschung und Psychologie erlauben jedoch eine sehr hoffnungsvolle Aussicht: Selbst im fortgeschrittenen Alter können Menschen, z.B. mit Hilfe einer Therapie, ihr Denken und Handeln grundlegend ändern. Diese Veränderungen sind sogar im Nervensystem nachweisbar: Im Gehirn verändern sich Stoffwechselprozesse und sogar Strukturen. 6

    Obwohl belastende Kindheitserfahrungen also auch viele Jahre später noch negative Konsequenzen haben können, ist es nie zu spät, etwas gegen diese Folgen zu tun. Das menschliche Gehirn hat nämlich die faszinierende Fähigkeit, sich bis ins hohe Alter zu verändern. 7 Vielleicht kann man dem sprichwörtlichen alten Hund keine neuen Tricks beibringen, auf Menschen trifft dies aber glücklicherweise nicht zu!

     

    1. Witt, A., Sachser, C., Plener, P.L., Brähler, E., & Fegert, J.M. (2019). Prävalenz und Folgen belastender Kindheitserlebnisse in der deutschen Bevölkerung. Deutsches Ärzteblatt, 116, 635–642.[]
    2. Mueller- Bamouh, V., Ruf-Leuschner, M., Dohrmann, K., Schauer, M., & Elbert, T. (2016). Are experiences of family and of organized violence predictors of aggression and violent behavior? A study with unaccompanied refugee minors. European Journal of Psychotraumatology, 7(1), 27856–10.[]
    3. Madigan, S., Wade, M., Plamondon, A., Maguire, J. L., & Jenkins, J. M. (2017). Maternal Adverse Childhood Experience and Infant Health: Biomedical and Psychosocial Risks as Intermediary Mechanisms. The Journal of Pediatrics, 187, 282–289.e1.[]
    4. Walsh, A. (2009). Biology and Criminology: The Biosocial Synthesis. New York: Routledge.[]
    5. Bremner, J. D., Elzinga, B., Schmahl, C., & Vermetten, E. (2008). Structural and functional plasticity of the human brain in posttraumatic stress disorder. Progress in Brain Research, 167, 171–186.[]
    6. Thompson, R. (2001). Das Gehirn. Von der Nervenzelle zur Verhaltenssteuerung. Heidelberg: Spektrum.[]
    7. Kühn, S. & Lindenberger, U. (2016). Research on human plasticity in adulthood: A lifespan agenda. In Schaie, K. W., Willis, S. L. (Hrsg.): Handbook of the Psychology of Aging (8. Aufl., S. 105–123). Amsterdam: Academic Press.[]