Du dachtest, ihr liebt euch und seid ein glückliches Paar. Du bist davon ausgegangen, dass ihr gemeinsam durch Dick und Dünn geht. Für dich war es eine feste Beziehung mit allem Drum und Dran und jetzt bricht es dir das Herz: Kontaktabbruch. Du hast Ihm oder Ihr vertraut, doch der geliebte Mensch ist wortlos aus deinem Leben verschwunden. Keine Erklärung, kein Abschied, keine Tränen: Nichts. Sie oder Er ist einfach weg.
Mit einem aktuellen Modewort ausgedrückt: du machst die Erfahrung von „Ghosting“. Auch, wenn dieser englische Begriff vielleicht seltsam klingt – dein:e Ex, ein Geist – kann es großen Schmerz für dich bedeuten, wenn deine Beziehung mit solchen einem Kontaktabbruch geendet hat. Denn ein Ende, das nicht wirklich abzusehen war, macht eine Trennung noch schwerer, als jeder Abschied sowieso schon ist.
Auf deine Kontaktversuche und Fragen kriegst du keine Antwort mehr. Du weißt nicht, was du denken oder fühlen sollst. Hast du etwas falsch gemacht? Lag es an dir? War es deine Schuld? Du bleibst alleine mit diesen quälenden Gedanken. Vielleicht bittest und bettelst du sogar um ein Lebenszeichen und fühlst dich dabei wie ein:e Stalker:in. Du kannst nichts tun, hast keine Kontrolle mehr über den Lauf der Dinge – und das fühlt sich schrecklich an. Gefühle von Ohnmacht und Wut tauchen in dir auf, gemischt mit Trauer und Schmerz über den Verlust der Zweisamkeit.
Irgendwann, nach einer Zeit des Hoffens und Wartens, wird dir klar, was da tatsächlich passiert ist: dass dein Geliebter, deine Geliebte, sich nicht mehr melden wird. Dass Schluss ist und du loslassen musst, ob du willst oder nicht. Auch ohne richtigen Abschied. Ohne noch einmal geredet zu haben. Das ist hart. Fast jede Trennung ist schmerzhaft und traurig. Loslassen ist ein Prozess und dauert immer seine Zeit. Allerdings bahnt sich eine Trennung normalerweise an: irgendetwas läuft schief, man lebt sich auseinander, versteht sich nicht mehr gut und Abschied liegt schon in der Luft, bevor der Trennungswunsch ausgesprochen wird. Ein Beziehungsabbruch wirkt dagegen wie ein Schock. Vielleicht fühlst du dich wie das Opfer eines Verbrechens, nur dass es keine Gesetze gegen „Ghosting“ gibt. Du musst damit irgendwie selbst klarkommen.
Aber wie geht das? Wo kannst du anfangen und wie überwindest du den Schock?
Zuerst einmal muss dir klar sein, dass du für den brutalen Rückzug deines Partners/deiner Partnerin nicht verantwortlich bist. Denn selbst, wenn du etwas Dummes gemacht hast, wenn es Streit gab oder du ungerecht warst: jeder Mensch hat es verdient, darüber reden zu dürfen und sich zu entschuldigen. Beim „Ghosting“ ist es aber so, dass es wie aus heiterem Himmel passiert und keine offensichtliche Erklärung dafür gibt.
Einen Grund gibt es letztlich immer, wenn ein Mensch wortlos den Kontakt abbricht, aber genau dieser Grund soll ja vor dir verheimlicht werden. Oft ist es dem Menschen dabei nicht einmal selbst wirklich klar, was er da tut und warum er nicht anders kann. Es könnte bei ihm oder ihr um Bindungsangst gehen, um Selbstunsicherheit oder einfach nur Konfliktunfähigkeit. Letztlich spielt fast immer mangelnder Selbstwert eine Rolle, wenn eine andere Person dir gegenüber nicht wertschätzend und verbindlich ist und keine Verantwortung für eure Beziehung übernimmt.
Das zu wissen kann dir helfen und dich emotional entlasten. Allerdings könnte dich die Situation auch in deinen Grundfesten so erschüttern und aus deiner Bahn werfen, dass du auch bei dir selbst schauen solltest, was genau dich da so tief schmerzt.
Was hat das Ganze also mit dir zu tun? Erkennst du einen Zusammenhang zu der Art der Bindung, die du als Kind mit deinen Eltern hattest? Wird da eventuell alter, wohlbekannter Schmerz aufgewühlt? Wie verlässlich waren deine Bezugspersonen für dich? Waren sie emotional für dich immer oder grundsätzlich erreichbar? Musstest du dich sehr anpassen, um Aufmerksamkeit und Liebe zu erhalten und konntest du nicht du selbst sein? Wo waren deine Eltern, wenn du sie am meisten gebraucht hast? Hast du verlässliche Antworten gekriegt auf deine wichtigsten Fragen und Nöte? Oder hast du deine Eltern auch immer wieder als eine Art von “Geistern” erlebt, die nicht wirklich da waren?
Wie könnten sich alte schmerzhafte Gefühle des Alleingelassen-Seins und der Abhängigkeit auf deine Beziehungen auswirken? Könnte es sein, dass du zu lange die rosarote Brille aufhattest und erste Anzeichen von Bindungs-Unwillen deines Partners, deiner Partnerin übersehen hast? Ist es vielleicht irgendwie auch „normal“ für dich, wenn Er oder Sie sich ins Schneckenhaus zurückzieht? Entschuldigst du den Rückzug des anderen mehr, als dir selbst gut tut? Wie stark hungerst du nach Liebe und Harmonie und meidest deshalb Konflikte und klärende Gespräche, um dir und dem anderen keinen Stress zu machen? Wie geht es dir beim Lesen dieser Fragen? Berühren sie dich? Nimm dir Zeit, wenn sie dich aufwühlen. Erforsche in Ruhe, ohne dich zu drängen, ob dein Selbstwert Stärkung braucht. Du bist stärker, als du denkst, um den Dingen ins Auge zu blicken. Nimm dich selbst immer wieder in den Arm und verlasse dich nicht innerlich, wenn du verlassen wurdest.
Je mehr dir die Zusammenhänge deiner heutigen Gefühle mit deiner eigenen Biographie klar werden, desto milder und verständnisvoller kannst du mit dir selbst und anderen umgehen. Du weißt dann, dass du ok bist, wie du bist und dass der Kontakt-Abbruch eine Lernerfahrung ist, die dir den Weg in eine verlässlichere und liebevollere Beziehung zeigen kann. Du kannst dich auch fragen, ob du selbst manchmal die Tendenz hast, dich in intimen Beziehungen plötzlich zurückzuziehen, ohne zu kommunizieren, was bei dir los ist, was dich verletzt, bedrückt, was dir Angst macht.
Richte den Blick nach vorn in eine Partnerschaft, die deine Bedürfnisse nach Liebe, Nähe und tieferer Verbindung erfüllt. Durch die Auseinandersetzung damit wirst du den Schock des Abbruchs überwinden. Wenn sich ein altes Beziehungs-Trauma von dir meldet, dann ist es Zeit, es mit professioneller Hilfe zu heilen. Jede Krise ist auch eine Chance, also nutze sie!
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