Dies ist ein zweiteiliger Artikel. Hier findest du den Link zu Teil 1: Selbstwirksamkeit – wie viel traust du dir eigentlich zu?

      

    Quellen der Selbstwirksamkeit 

    Man geht davon aus, dass es vier hauptsächliche Quellen der Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) gibt: 

    1. Eigene Erfahrungen 

    Unsere eigenen Erfahrungen haben den stärksten Einfluss auf unsere SWE. Dabei wirken sich eigene Erfolge positiv und Misserfolge negativ aus. Bei Menschen, die schon über eine hohe SWE verfügen, haben einzelne Misserfolge allerdings keinen starken negativen Einfluss. 1 

    2. Beobachtung und Nachahmung von Vorbildern 

    Den zweitstärksten Einfluss hat die Beobachtung oder Nachahmung von Vorbildern. Als Vorbild kann fast jede:r dienen, z. B. Eltern, Gleichaltrige, Lehrer:innen oder Partner:innen. Je ähnlicher wir dem Vorbild sind, desto größer ist der Einfluss auf uns. In diesem Fall können wir uns besser mit der anderen Person identifizieren und uns in ihre Situation hineinversetzen. Wenn wir beispielsweise beobachten können, dass ein:e Freund:in den Führerschein erfolgreich besteht, trauen wir uns das auch eher zu. Man denkt dann: “Wenn die Person das schaffen kann, schaffe ich das auch.” 

    3. Soziale Unterstützung 

    Am drittstärksten können sich gutes Zureden und Ermutigungen von anderen – oder allgemeiner: soziale Unterstützung – auf unsere Selbstwirksamkeit auswirken. Wenn wir das Gefühl haben, unser Umfeld traut uns etwas zu, hilft uns das, eine neue Aufgabe mutiger und motivierter anzugehen. Allerdings kann die aufgebaute Selbstwirksamkeit schnell abfallen, sollte es zu einem erneuten Misserfolg kommen. Des Weiteren ist es wichtig, dass Ermutigungen authentisch bleiben. Wirken sie zu übertrieben oder künstlich, kann auch das Gegenteil eintreten, nämlich, dass sich jemand nicht ernstgenommen fühlt und so die Selbstwirksamkeit weiter niedrig bleibt. 2 

    4. Körperliche Reaktionen 

    Wahrgenommene Stressreaktionen können sich tatsächlich auch auf die Einschätzung unserer Kompetenz auswirken. 3 Stell dir vor, du müsstest einen Vortrag vor einer größeren Gruppe halten und bist davor sehr aufgeregt. Du merkst, dass du anfängst zu schwitzen, dein Herz schneller schlägt, dein Hals sich wie zugeschnürt anfühlt und du ein komisches Gefühl im Bauch hast. Diese körperlichen Symptome könnten als starke Aufregung oder Angst gedeutet werde. Die Person könnte denken, dass sie der Situation nicht gewachsen ist – schließlich fühlt sie sich so aufgeregt und ängstlich. In solchen Situationen können Entspannungs- und Atemtechniken helfen. 

    Belastende Kindheitserfahrungen können sich negativ auf die allgemeine SWE auswirken. Je mehr  und je länger belastende Erfahrungen erlebt wurden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer niedrigen SWE im Erwachsenenalter. Dadurch kann der Umgang mit plötzlichen und herausfordernden Stresssituationen erschwert sein. 4Missbrauch geht z. B. bei vielen Betroffenen mit einem Kontrollverlust einher und kann zu einer starken inneren Hilflosigkeit führen. Man lernt, dass man keinen Einfluss auf seine Umwelt zu haben scheint. Häufig besteht diese Überzeugung bis ins Erwachsenenalter und führt dazu, dass wenig Neues ausprobiert oder erlernt wird. 5  

    Eine hohe SWE gilt als bedeutender Schutzfaktor, gerade bei schwerwiegenden belastenden Kindheitserfahrungen wie (sexuellem) Missbrauch und Gewalt. Es konnte gezeigt werden, dass die SWE einer betroffenen Person neben positiven Beziehungserfahrungen besonders ausschlaggebend für eine gesunde Entwicklung war. Eine hohe SWE konnte die negativen Effekte von Misshandlungs- und Vernachlässigungserfahrungen abschwächen. Personen mit einer starken SWE zeigen eine geringere Gesamtbelastung, bessere Gesundheit, erhöhten sozialen Status und sicherere Beziehungen. 6Selbstwirksame Betroffene von belastenden Kindheitserfahrungen haben zusätzlich ein niedrigeres Risiko für posttraumatische Folgen wie z. B. Angstzustände oder depressive Verstimmungen. 5  

    Die SWE kann durch belastende Kindheitserfahrungen geschwächt sein, sie kann aber auch schon im Kindes- und Jugendalter gezielt aufgebaut werden. So können Ressourcen des Kindes wie Problemlösen, Verantwortungsbewusstsein, positive Selbsteinschätzung und Interessensentwicklung gestärkt und aufgebaut werden. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang der Ausbau des sozialen Umfeldes und die Sicherstellung einer stabilen Bezugsperson. 7 Auch im Erwachsenenalter ist es nicht zu spät. Man kann daran arbeiten, negative Denkmuster in positivere umzuwandeln oder sich neuen Aufgaben zu stellen, um so häufiger positive Erfahrungen zu machen. Auch im Rahmen einer Therapie kann die SWE erhöht werden. 

     

     

    1. Schwarzer, R., & Jerusalem, M. (2002). Das Konzept der Selbstwirksamkeit. ZEITSCHRIFT FÜR PÄDAGOGIK, 44, 28-53.[]
    2. Margolis, H., & McCabe, P. P. (2006). Improving self-efficacy and motivation: What to do, what to say. Intervention in school and clinic, 41(4), 218-227[]
    3. Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: W. H. Freeman & Co[]
    4. Berent, D., & Wojnar, M. (2020). The role of adverse childhood experiences in risky behaviors, health care utilization, and generalized self-efficacy in the general adult Polish population. Med. Sci, 1-21.[]
    5. Baldowski, A. (2021). Zum Einfluss sexueller Gewalt auf die zwischenmenschliche Bindung: Welche Auswirkungen haben frühkindliche Traumatisierungen auf ein späteres Suchtverhalten? (Doctoral dissertation, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg[][]
    6. Schmid, M., Fegert, J. M., Clemens, V., Seker, S., d’Huart, D., Binder, M., & Bürgin, D. (2022). Ergebnisse der schweizweiten Kohortenstudie „Jugendhilfeverläufe: Aus Erfahrung Lernen (JAEL)“. Kindheit und Entwicklung, 31(1), 22-39.[]
    7. Wustmann, C. (2011). Resilienz in der Frühpädagogik–Verlässliche Beziehungen, Selbstwirksamkeit erfahren. In Handbuch Resilienzförderung (pp. 350-359). VS Verlag für Sozialwissenschaften[]