Dies ist ein zweiteiliger Artikel. Hier findest du den Link zu Teil 1: Scheidung oder Trennung der Eltern.

    Eine intakte Familie ist sehr wichtig für die gesunde Entwicklung eines Kindes. Da eine Trennung der Eltern ein einschneidendes Erlebnis für die gesamte Familie darstellt, kann sie in Abhängigkeit von verschiedenen Bedingungen sehr unterschiedliche Folgen für das Kind haben. 

    So kann die Trennung der Eltern dazu führen, dass junge Kinder fortan unter einer erhöhten Trennungsangst leiden, die sich besonders auf den Elternteil bezieht, bei dem sie leben. Daher kann es sein, dass es ihnen sehr schwerfällt, sich in alltäglichen Situationen, wie dem Kindergartenbesuch, von dem Elternteil zu verabschieden. Außerdem verfügen junge Kinder noch nicht über so viele Fähigkeiten zur Bewältigung dieser Belastung, wie ältere. Daher sind sie insgesamt deutlich verletzlicher. Gerade junge Kinder fühlen sich oft verantwortlich für die Trennung der Eltern und leiden schließlich unter Schuldgefühlen. 1 Ältere Kinder haben teilweise soziale und emotionale Schwierigkeiten und leiden unter einem geringen Selbstwertgefühl. Manche bekommen Probleme in der Schule oder es fällt ihnen schwer, Freundschaften zu schließen. Tendenziell machen sich Trennungskinder häufiger Sorgen und zeigen öfter aggressives Verhalten, als Kinder deren Eltern zusammenleben. 2 Außerdem erleben Jugendliche, deren Eltern sich scheiden ließen, mit größerer Wahrscheinlichkeit Teenager-Schwangerschaften und lassen sich als Erwachsene tendenziell selbst eher scheiden. 3 

    Mit Blick auf die Langzeitfolgen der elterlichen Scheidung für die Kinder wurde festgestellt, dass Scheidungskinder häufiger rauchen, Alkohol trinken und andere Drogen nehmen. Außerdem haben sie ein höheres Risiko, eine psychische Störung, wie z. B. Depression oder Angststörung, zu entwickeln. Wenn eine Scheidung mit vielen Konflikten und Streitigkeiten zwischen den Elternteilen verbunden ist, ist diese besonders belastend für die Kinder. 4 In einer Studie konnte herausgefunden werden, dass die Trennung der Eltern langfristig mit dem Risiko von Übergewicht verbunden ist. 5 Kinder und Jugendliche, deren Eltern sich getrennt haben, erleben außerdem auch häufiger andere belastende Kindheitserfahrungen, wie z. B. Misshandlung, Vernachlässigung oder psychische Störungen von Haushaltsmitgliedern, als Gleichaltrige, deren Eltern sich nicht getrennt haben. Es zeigt sich, dass gerade die Anhäufung verschiedener belastender Kindheitserfahrungen die Beeinträchtigungen im Erwachsenenalter verstärken. Die Trennung der Eltern allein war in einer in Deutschland durchgeführten Untersuchung jedoch nicht mit einem erhöhten Risiko für eine psychische Beeinträchtigung verbunden. 6 Es zeigt sich allerdings die Tendenz, dass die Trennung der Eltern bei Mädchen häufiger psychische Probleme und chronischen Stress verursacht als bei Jungen. 7 

    Jedoch kann die erfolgreiche Bewältigung der Trennung der Eltern sich auf längere durchaus positiv auswirken! Trennungskinder können später durch die Erfahrung belastbarer, resilienter, verantwortungsbewusster und zielstrebiger sein. Sie können unabhängiger, selbstständiger und feinfühliger im zwischenmenschlichen Umgang sein, z. B. in Bezug auf Diskriminierungen. 8

    Es gibt verschiedene Risikofaktoren, welche die Beeinträchtigungen im Erwachsenenalter begünstigen können. Dazu zählen besonders konfliktreiche Scheidungen, bei denen auch über die Scheidung hinaus viele Streitigkeiten und Machtkämpfe zwischen den Elternteilen herrschen. Mit einer solchen Situation sind Kinder häufig maßlos überfordert. Zusätzlich leiden Scheidungskinder häufig auch unter dem eingeschränkten Kontakt zum außerhäuslichen Elternteil. Außerdem ist ein niedriger sozialer Status (wie ihn z. B. Arbeitslose, Menschen ohne Schulabschluss und Geringverdienende haben) ein weiterer Risikofaktor für die Entwicklung von langfristigen Folgen.  

    Darüber hinaus gibt es aber auch schützende Faktoren, die der Entstehung langfristiger Nachteile für die Kinder vorbeugen. Die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu dem getrenntlebenden Elternteil und das gemeinsame Erziehen, das sogenannte “Co-Parenting”, haben einen positiven Effekt auf das kindliche Wohlbefinden und können Langzeitfolgen entgegenwirken. 2 Auch individuelle Merkmale des Kindes können schützend wirken. Dazu hohes Einfühlungsvermögen, gute Bewältigungsstrategien und ein starkes Selbstvertrauen. 9 

    Wenn Kinder und Jugendliche die Trennung oder Scheidung ihrer Eltern miterlebt haben, ist das Risiko groß, dass sie über längere Zeit weiteren Formen von belastenden Kindheitserfahrungen ausgesetzt waren. Gerade die Anhäufung von belastenden Kindheitserfahrungen scheint die Beeinträchtigungen im Erwachsenenalter zu verstärken. 10 Größer angelegte Untersuchungen haben gezeigt, dass Kinder oft auch schon vor einer Trennung ihrer Eltern psychische Auffälligkeiten und Verhaltensprobleme aufwiesen. 11 Es haben viele Faktoren Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes – es ist daher schwierig, in Untersuchungen genau herauszufinden, welche Einschränkungen wirklich durch die Trennung der Eltern verursacht wurden. Ob und inwieweit das Miterleben der Trennung ihrer Eltern zu späteren Beeinträchtigungen führt, hängt von den Ressourcen der Kinder, der Eltern und des sozialen Netzwerkes ab. 1 Außerdem kann die Scheidung oder Trennung der Eltern auch zu Vorteilen für die Entwicklung der Kinder führen. Neben den oben genannten Aspekten ist dies auch der Fall, wenn das Zusammenleben nach der Trennung harmonischer ist als vor der Trennung. Dabei ist ein freundschaftlicher Umgang zwischen den Eltern und das gemeinsame Erziehen der Kinder essenziell. 

     

    1. Walper, S. & Langmeyer, A. (2014). Auswirkungen einer elterlichen Trennung auf die Entwicklung von Kindern in den ersten Lebensjahren. In R. Kißgen & N. Heinen (Hrsg.), Trennung, Tod und Trauer in den ersten Lebensjahren: Begleitung und Beratung von Kindern und Eltern (S. 159–176). Klett-Cotta.[][]
    2. Geisler, E., Köppen, K., Kreyenfeld, M., Trappe, H., & Pollmann-Schult, M. (2018). Familien nach Trennung und Scheidung in Deutschland. https://www.soz.ovgu.de/isoz_media/Methoden/Familien_Trennung_Scheidung-p-1282.pdf (Abgerufen am 20.07.2022[][]
    3. Demir-Dagdas, T., Isik-Ercan, Z., Intepe-Tingir, S., & Cava-Tadik, Y. (2018). Parental divorce and children from diverse backgrounds: Multidisciplinary perspectives on mental health, parent–child relationships, and educational experiences. Journal of Divorce & Remarriage, 59(6), 469-485.[]
    4. Auersperg, F., Vlasak, T., Ponocny, I., & Barth, A. (2019). Long-term effects of parental divorce on mental health–A meta-analysis. Journal of Psychiatric Research, 119, 107-115.[]
    5. Goisis, A., Özcan, B., & Van Kerm, P. (2019). Do children carry the weight of divorce?. Demography, 56(3), 785-811.[]
    6. Clemens, V., Plener, P. L., Brähler, E., Strauß, B., & Fegert, J. M. (2021). Trennung der Eltern–Liegt die Hauptbelastung in der Kumulation mit anderen Kindheitsbelastungen? Untersuchung einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung. PPmP-Psychotherapie· Psychosomatik· Medizinische Psychologie, 71(02), 81-89.[]
    7. Schaan, V. K., Schulz, A., Schächinger, H., & Vögele, C. (2019). Parental divorce is associated with an increased risk to develop mental disorders in women. Journal of Affective Disorders, 257, 91-99.[]
    8. Sabas, N. (2021). Langzeitfolgen – Das Scheidungskind als Erwachsener. In Zerrüttete Beziehungen–Verletzte Kinderseelen (pp. 85-94). Springer, Wiesbaden.[]
    9. Blank, A., Kattenbusch, K., & Zentner, A. Kinder von Trennungs- und Scheidungseltern. SSP-FL, 60.[]
    10. Clemens, V., Plener, P. L., Brähler, E., Strauß, B., & Fegert, J. M. (2021). Trennung der Eltern–Liegt die Hauptbelastung in der Kumulation mit anderen Kindheitsbelastungen? Untersuchung einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung. PPmP-Psychotherapie· Psychosomatik· Medizinische Psychologie, 71(02), 81-89.[]
    11. Walper, S., Amberg, S., & Langmeyer, A. N. (2020). Familien mit getrennten Eltern. Handbuch Familie: Gesellschaft, Familienbeziehungen und differentielle Felder, 1-19.[]