Dies ist ein zweiteiliger Artikel. Hier findest du den Link zu Teil 1: Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit in der Familie.

    Wenn eine werdende Mutter während der Schwangerschaft Alkohol trinkt, führt dies beim Kind zu schwerwiegenden, bleibenden Schäden – wie Wachstumsstörungen, körperlichen Missbildungen oder geistigen Behinderungen. Pro Jahr kommen in Deutschland schätzungsweise 12.650 Neugeborene mit einer sogenannten fetalen Alkoholspektrumsstörung zur Welt. 1 Außerdem steigt das Risiko für den plötzlichen Kindstod. Auch, wenn eine zuvor alkoholabhängige schwangere Frau es schafft, ihren Alkoholkonsum während der Schwangerschaft einzustellen, ist das Risiko für Rückfalle in der ersten Zeit mit dem Neugeborenen aufgrund der vielseitigen Belastungen sehr groß. 2

    Wenn der Alkoholkonsum eines Elternteils erst nach der Schwangerschaft ausartet, kann dies auch zu schwerwiegenden psychosozialen und/oder körperlichen Belastungen und damit zu Entwicklungsrisiken führen. Häufig haben alkoholabhängige Eltern selbst belastende oder traumatische Ereignisse erlebt, wie  z. B. Konflikte und Trennungen der Eltern, emotionale Vernachlässigung, sexueller Missbrauch oder Gewalterfahrungen. Meistens fehlten auch ihnen stabile Eltern als Vorbilder und sie haben oft gleichzeitig oder vorangegangen andere körperliche oder psychische Erkrankungen. Diese selbst erfahrenen belastenden Kindheitserfahrungen zeigen sich häufig im Umgang mit den eigenen Kindern. Viele suchtkranke Eltern haben eine verminderte Frustrationstoleranz, leiden unter Stimmungsschwankungen und Einsamkeit. Dabei haben sie oft Schwierigkeiten alltägliche Aufgaben zu bewältigen. 2 In diesem Fall müssen die Kinder früher Aufgaben der beeinträchtigten Erwachsenen übernehmen oder gar den fehlenden Elternteil als Partner:in ersetzen. Die Folgen dieser frühen Verantwortung werden meist erst sehr viel später sichtbar. 3

    Darüber hinaus zeigt sich, dass alkoholabhängige Eltern häufig Schwierigkeiten haben, eine Bindung zum Kind aufzubauen und dessen Bedürfnisse wahrzunehmen. Dies stellt ein erhebliches Risiko für eine gesunde soziale und emotionale Entwicklung eines Säuglings dar. 2 Ist ein Elternteil alkoholkrank, kommt es vermehrt zu partnerschaftlichen Konflikten. Daher sind viele alkoholkranke Elternteile alleinerziehend. Dies führt häufig zu einem Familienleben in Armut und beengten Wohnverhältnissen. Der daraus entstehende Frust führt nicht selten zu Vernachlässigung oder Misshandlungen des Kindes. 2 Auch, wenn es nicht zu solchen extremen Taten kommt, führt der anhaltende Alkoholkonsum meistens zu einer „Lockerung der Bindung“ sowie des Kontaktes zwischen Elternteil und Kind. Bei einer Abhängigkeit ist der Alkohol sogar wichtiger für den Elternteil als alles andere, und damit auch als das eigene Kind. Die daraus entstehenden massiven Schuld- und Schamgefühle führen häufig dazu, dass mehr Alkohol konsumiert wird, um diese negativen Gefühle zu betäuben. So kann ein Teufelskreis entstehen.

    Außerdem tritt für Alleinerziehende das Problem der Offenlegung ihrer Abhängigkeit auf. Die Betroffenen haben oft Angst vor Stigmatisierungen – schlechte  Mutter / schlechter Vater – und vor dem Verlust der Kinder durch das Eingreifen des Jugendamtes. 4 Kinder eines alkoholabhängigen Elternteils sind zudem einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt, wenn sie bei diesem im Auto mitfahren und das Elternteil unter Alkoholeinfluss steht. 5

    Insgesamt sind Kinder drogenabhängiger Eltern einem erhöhten Risiko ausgesetzt, selbst eine Suchterkrankung zu entwickeln. Darüber hinaus haben diese Kinder häufiger ADHS, Schulangst, Depressionen oder Angststörungen als Kinder von nicht-suchtkranken Eltern. 6

    Schätzungen zufolge entwickeln sich ungefähr ein Drittel der Kinder trotz der Suchterkrankung ihrer Eltern unbeschadet. Dabei konnten verschiedene Faktoren ausgemacht werden, die es Kindern ermöglichen widerstandsfähiger zu werden und so ihre Resilienz aufzubauen. 7 Dabei haben Forscher:innen sieben Resilienzfaktoren für Kinder alkoholabhängiger Eltern zusammengetragen, die du hier findest. 8

     

    1. Atzendorf, J., Rauschert, C., Seitz, N.-N., Lochbühler, & K., Kraus, L. (2019). Gebrauch von Alkohol, Tabak, illegalen Drogen und Medikamenten. Schätzungen zu Konsum und substanzbezogenen Störungen in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt International, 116(35-36), 577-584. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0577[]
    2. Habash, P. (2012). Drogenabhängige Eltern. In M. Cierpka (Hrsg.), Frühe Kindheit 0 – 3 (S. 325–332). Dordrecht: Springer.[][][][]
    3. Klug, G. & Lammel, U. A.. Mütter, Väter, Partner*innen, Kinder. Klinische Sozialarbeit, 2022(18, 3). Zugriff am 12.12.2022. Verfügbar unter: https://dvsg.org/fileadmin/user_upload/DVSG/Veroeffentlichungen/Fachzeitschriften/Ausgaben-Klinsa/2022-03KlinSaEditorial.pdf[]
    4. Detterer, T. (2022). Die geschlechtsspezifischen Aspekte von Substanzabhängigkeit bei Frauen. Konsequenzen für gendersensible Suchtarbeit (Springer eBook Collection, 1st ed. 2022). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden; Imprint Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38988-8[]
    5. Kraus, L., Seitz, N.-N., Shield, K. D., Gmel, G. & Rehm, J. (2019). Quantifying harms to others due to alcohol consumption in Germany: a register-based study. BMC Medicine, 17(1), 59. https://doi.org/10.1186/s12916-019-1290-0[]
    6. DAK Gesundheit (Hrsg.). (2018). Kinder- und Jugendreport 2018. Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Zugriff am 12.12.2022. Verfügbar unter: https://www.dak.de/dak/gesundheit/kinder–und-jugendreport-2018-2073752.html#/[]
    7. Mielke, H. & Gutknecht, S. (2017). Kinder suchtkranker Eltern (Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz e. V., Hrsg.). Zugriff am 02.01.2023. Verfügbar unter: https://www.bw-lv.de/fileadmin/user_upload/bw-lv.de/Seiteninhalte/Aktuelles/BAG-Dossier-Kinder-Suchtkranker-Eltern-web.pdf []
    8. Klein, M. (Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V., Hrsg.). 2007. Kinder suchtkranker Eltern. Fakten, Risiken, Lösungen. Zugriff am 02.01.2023. Verfügbar unter: https://www.dgvt.de/aktuelles/details/?tx_ttnews[tt_news]=1593&cHash=31a65efcf32a901b9a33811301877747[]