Körperliche und emotionale Vernachlässigung von Kindern oder Jugendlichen

Unter körperlicher oder emotionaler Vernachlässigung von Kindern oder Jugendlichen versteht man eine ausgeprägte, wiederholte oder andauernde Beeinträchtigung und Schädigung der Gesundheit und Entwicklung durch die zur Sorge verpflichteten Personen. Bei der körperlichen Vernachlässigung werden die körperlichen Bedürfnisse des Kindes, wie z. B. Hunger, Durst oder saubere Kleidung, nicht ausreichend erfüllt. Es kann auch eine Vernachlässigung der Beaufsichtigung des Kindes bestehen, indem die erziehungsberechtigte Person das Kind ungenügend vor Gefahren schützt und so beispielsweise ein Kleinkind unbeaufsichtigt auf ein Klettergerüst klettern lässt. Darüber hinaus kann körperliche Vernachlässigung entstehen, wenn sich nicht um die medizinische Versorgung des Kindes gekümmert wird.  

Dahingegen bedeutet emotionale, psychische oder seelische Vernachlässigung das Vorenthalten von Zuwendung, Wärme, Liebe, Respekt und Geborgenheit. Dies kann durch fehlende Kommunikation oder Interaktion geschehen, aber auch in Form von mangelnder Förderung oder Erziehung. Außerdem können ein Mangel an spielerischen Aktivitäten oder unregelmäßige Schulbesuche zu einer psychischen Vernachlässigung führen. Beide Arten der Vernachlässigung können unbewusst oder bewusst auftreten. Der oder die Erziehungsberechtigte könnte z. B. über zu wenig Wissen oder Einsicht zur fürsorglichen Erziehung verfügen (= unbewusst oder passiv). Allerdings kann die Vernachlässigung auch willentlich geschehen, indem Erziehungsberechtigte die bewusste Entscheidung dazu treffen (= bewusst oder aktiv).  

Wie oft körperliche oder emotionale Vernachlässigung in Deutschland auftritt ist nicht bekannt. In einer Befragung berichtete jedoch etwa jede:r 15. von schwerer emotionaler Vernachlässigung und fast jede zehnte Person von schwerer körperlicher Vernachlässigung im Kindes- oder Jugendalter. Dabei waren jeweils etwas mehr Frauen als Männer betroffen. Allerdings zeigte sich, dass vor allem ältere Teilnehmende – über 70 Jahren – die höchsten Raten körperlicher Vernachlässigung berichteten. Außerdem treten körperliche und emotionale Vernachlässigung häufig zusammen oder in Kombination mit anderen Formen der Kindesmisshandlung auf. Hierzu zählt unter anderem der sexuelle Missbrauch. ¹  

Wenn Kinder oder Jugendliche von körperlicher Vernachlässigung betroffen sind, kann dies ihre körperliche und/oder psychische Entwicklung schädigen. Im schlimmsten Fall kann auch die „bloße“ Vernachlässigung für Kinder tödlich sein – wie bei mangelnder Ernährung oder fehlender medizinischer Versorgung. ² 

Auch die emotionale Vernachlässigung eines Kindes oder Jugendlichen kann Folgen für seine oder ihre Entwicklung haben und zu Spätfolgen im Erwachsenenalter führen. Eine neure Untersuchung konnte feststellen, dass es zwischen der Erfahrung emotionaler Vernachlässigung und verschiedener “negativer” Überzeugungen einen Zusammenhang gibt: Nach einer solchen Erfahrung erwartet eine Person, dass auch andere Menschen sie verletzen, missbrauchen, demütigen, betrügen, belügen, manipulieren oder ausnutzen werden. Außerdem kann es sein, dass Betroffene aus Scham oder Angst vor Missbilligung durch andere, sich nicht trauen ihre Gefühle zu äußern. Zusätzlich können Gedanken wie “ich schaffe das nicht” oder “ich werde versagen” auftreten. Hier scheint die Unfähigkeit der Erziehungsberechtigten, die emotionalen Bedürfnisse eines Kindes oder Jugendlichen zu erfüllen, einen Einfluss auf solche negativen Überzeugungen und Gedanken zu haben. ³ Diese können im Verlauf auch zu psychischen Störungen führen. Hierbei ist wichtig zu erwähnen, dass diese negativen Gedanken nicht der Realität entsprechen und innerhalb einer Therapie überprüft, bearbeitet und verändert werden können.