In der Kategorie “Ganz direkt” spricht dich unsere Sozialpädagogin und Coach Simone persönlich an. Hierbei möchte sie dich in erster Linie zum Nachdenken anregen und nicht vorrangig wissenschaftliche Erkenntnisse darstellen. Sie stützt sich hierbei auf ihre Praxiserfahrung. 

Kennst du das, dass in deinem Alltag eine größere oder auch kleinere Entscheidung ansteht und du hörst plötzlich die unterschiedlichsten Stimmen in deinem Kopf? Totales Gedanken-Chaos! Und am Ende weißt du gar nicht mehr, was du eigentlich willst. Weil das also quasi „normal“ ist, gibt es sogar einen Begriff für diese Stimmen, den du vielleicht schonmal gehört hast: das sogenannte „Innere Team“. Schulz von Thun (der bekannte Psychologe und Kommunikationsforscher) hat sich ausgiebig mit diesen Stimmen in unseren Köpfen beschäftigt und den Begriff geprägt. Aber hier erstmal ein Beispiel dafür, wie eine solche Diskussion des Inneren Teams in dir aussehen könnte: 

„Im August wird ein super toller Zeichenkurs an der Volkshochschule angeboten, das wollte ich schon lange machen, juchhuuuu!“ 

„Aber ich werde mich total blamieren, ich kann ja nicht mal Strichmännchen.“  

„Quatsch, wenn man nur richtig will, kann man alles schaffen.“  

„Im Grunde ist so ein Zeichenkurs ja reine Zeitverschwendung. Was soll das bringen?“  

„Aber das wird doch lustig mit den anderen Leuten, da gibt’s bestimmt viel zu lachen.“  

„August passt eigentlich gar nicht, da wollte ich die Wohnung streichen.“  

„Das Streichen läuft aber auch nicht davon. Zeichnen ist kreativ und bringt Abwechslung in den öden Alltag.“  

„Schon, ja, der Kurs ist aber auch viel zu teuer.“ 

Und so weiter und so fort. Die verschiedenen inneren Stimmen haben, wie dir sicher aufgefallen ist, alle eine andere Absicht. Der einen geht es um Spaß und Lebendigkeit, die andere denkt praktisch, die dritte will dich anspornen, wieder eine andere zeigt sich ängstlich und möchte jeden Stress vermeiden. In folgender Abbildung siehst du beispielhaft, zu welchen inneren Charakteren die Sätze oben gehören könnten: 

(Grafik: S. Schleicher, T. Toth) 

Irgendwann schafft es eine Stimme wahrscheinlich, sich durchzusetzen. Wenn es aber immer wieder die gleiche, z. B. eine ängstliche oder rigide Stimme ist, die sich durchsetzen kann, dann könnte es passieren, dass im Leben nicht viel Neues geschieht. Es läuft quasi immer wieder aufs Gleiche hinaus: die Idee wird verworfen. Im Beispiel von oben wird es dann keine Anmeldung zum Zeichenkurs geben. Leider, denn es war ja im Grunde ein sehr schöner Impuls, der auch einige Zustimmung im „Inneren Team“ hatte. Was nun?
Wie wäre es, wenn das Team einen kompetenten Führung hätte, die dafür sorgen würde, dass jede Meinung gleichwertig einfließen kann? Besonders natürlich auch die Stimmen und Ansichten, die sonst wenig Gehör finden. Schulz von Thun nennt diese Führung das „Oberhaupt“. Das Oberhaupt ist die neutrale Instanz, die sich jede Meinung im Team erstmal offen anhört. Wenn alle wild durcheinanderreden, haut es auch mal auf den Tisch und sorgt für Ruhe. Wenn es einem Teammitglied so gar nicht gut geht, wird es von ihm bestätigt und bestärkt, so dass seine positiven Eigenschaften stärker hervorkommen können. Im Grunde geht es ja darum, das Beste für das ganze Team zu bewirken. Wenn alle an einem Strang ziehen, dann gibt es neue Kraft. Auch Dinge werden dann vielleicht möglich, die bis dahin schwierig oder unmöglich erschienen sind. Wie z. B. erfüllende Beziehungen, ein größeres Freiheitsgefühl, mehr Selbst-Zufriedenheit oder sogar eine gesteigerte körperliche Gesundheit.
Du machst plötzlich Sport, nimmst zehn Kilogramm ab, oder erfüllst dir endlich einen Herzenswunsch.
In einem inneren Team ist es manchmal allerdings gar nicht so einfach, für Harmonie zu sorgen. Manche Teammitglieder leben immer noch in der Vergangenheit, in der etwas Schlimmes passierte. Besonders, wenn du oft ängstlich, niedergeschlagen oder gereizt bist, gibt es ziemlich sicher Teammitglieder in deinem Team, die wie ständige Aufpasser sind und dich davor schützen wollen, bestimmte negative Erfahrungen noch einmal zu machen. Oft fühlen oder zeigen sie sich ohnmächtig und ausgeliefert. Sie reagieren sehr emotional, manchmal dramatisch und unangemessen. Selten sind sie objektiv. Man kann schwer mit ihnen vernünftig sprechen. Sie brauchen viel Verständnis und Anerkennung. Auch sie wollen nur das Beste, haben aber meistens eine schlechte Strategie dafür.
Wenn es in der Kindheit um das “nackte Überleben” ging, dann wird das „Innere Team“ einer Person mindestens einen sogenannten “inneren Wächter” haben, der Überlebens-Strategien entwickelt hat wie: Rückzug, Über-Anpassung, Selbst-Aufgabe, Aggression, Rebellion. 

 (Grafik: S. Schleicher. T. Toth) 

Es kann sich wie ein ständiger Kampf ums Überleben anfühlen, wenn dieser Wächter sehr aktiv ist. Andere Teammitglieder kommen dann auch gar nicht mehr richtig zu Wort.
Für solche Wächter geht es darum, sich offen zeigen zu können mit ihren Befürchtungen. Sie brauchen Lob und Anerkennung für ihren Einsatz. Und das sollten sie auch bekommen. Mit der Zeit müssen sie aber lernen, dass die schlimme Vergangenheit jetzt vorüber ist, in der sie keine andere Chance hatten, als mit allen möglichen Mitteln ums Überleben zu kämpfen. Letztlich ist der Erfolg ja auch errungen: du hast überlebt. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich, wenn deine Kindheit hart war für dich. Das ist allemal wert, auch gewürdigt zu werden. Und gleichzeitig muss der Kampf aber nicht so weitergehen. Dein „Inneres Team“ hat noch viele andere Möglichkeiten.

Du könntest dir also nun 3 Fragen stellen:

1. Wie gut läuft es in meinem „Inneren Team“?
2. Ist das Oberhaupt stark und präsent?
3. Gibt es vielleicht verletzte Anteile und ihre „Wächter“, die besondere Aufmerksamkeit (und vielleicht auch professionelle Hilfe) brauchen?