In der Kategorie “Ganz direkt” spricht dich unsere Sozialpädagogin und Coach Simone persönlich an. Hierbei möchte sie dich in erster Linie zum Nachdenken anregen und nicht vorrangig wissenschaftliche Erkenntnisse darstellen. Sie stützt sich hierbei auf ihre Praxiserfahrung. 

    Was sind deine ersten Gedanken, wenn du den Begriff „Selbstbewusstsein“ hörst? Welche Menschen würdest du als selbstbewusst bezeichnen? Sind es die, die sich trauen, lautstark ihre Meinung zu vertreten und andere für sich zu gewinnen? Oder die, die eine Weile zuhören und dann ruhig und sachlich etwas zu einem Thema sagen? Oder sind es die “Rebellen”, die gesellschaftliche Grenzen überschreiten und verrückte Träume verwirklichen? Oder die, die mit sich in stiller Harmonie leben und gar nicht viel zum Leben brauchen? Oder aber die, die immer wissen, was sie wollen und viel im Leben erreichen? 

    In der Bezeichnung „selbstbewusst“ steckt das Wort „bewusst“. Bewusst heißt ja: Ich kriege etwas ganz genau mit, bzw. nehme es (bewusst) so wahr, wie es für mich ist.  
    Bleiben wir mal bei dieser Selbst-Wahrnehmung. Wahrnehmung geschieht ja ständig. Sozusagen am laufenden Band. In der Natur sichert eine gute Wahrnehmung das Überleben. Wenn das Kaninchen mit seinen langen Ohren ein Geräusch hört, dann flieht es. Wenn es sitzen bleiben würde, bis der Fuchs kommt, hätte es nicht viel davon. Wahrnehmung kommt vor Selbstbewusstheit. Ohne Wahrnehmung geht gar nichts. Wie kommt man aber von der Wahrnehmung durch unsere fünf Sinne, mit der wir die Außenwelt erleben, zum Selbst-Bewusstsein? Dazu müssen wir die Wahrnehmung nach innen richten. Auf uns selbst. Wenn du magst, kann du auch direkt in einer kleinen Übung eine Möglichkeit ausprobieren, wie das gehen könnte. Wenn nicht, überspringe einfach den folgenden Absatz, oder probiere es später aus. 

    Jetzt, in diesem Moment: was nimmst du wahr? Nimmst du deinen Atem wahr, während du diese Zeilen liest? Nimmst du wahr, wie deine Augen sich hin und her bewegen? Nimmst du wahr, wie du dich gerade fühlst? Wo genau in deinem Körper nimmst du Anspannung wahr? In den Schultern vielleicht, oder im Bauch? Welche Körperteile sind entspannt? Was bewegt der Atem in deinem Körper?  

    Wenn du eine Minute deinen Atem beobachtest und wahrnimmst, was dabei in dir geschieht, auch welche Gefühle dabei auftauchen – dann ist das der Beginn von Selbstbewusstsein. Je länger es dir möglich ist, diese kleine Übung zu machen, je länger du bei dem bleiben kannst, was da gerade spürbar und fühlbar ist, desto mehr Selbst-Bewusstheit entsteht auch in dir. Aus dieser inneren Ruhe heraus wirst du insgesamt bessere Entscheidungen treffen können und zu diesen Entscheidungen auch ruhig und klar stehen. 

    Der Hase hat nur das Programm „Weglaufen“ als Möglichkeit. Du hast die Möglichkeit, deine Wahrnehmung auf viele verschiedene Dinge zu richten. Dabei ist besonders wichtig, dass du sie nach innen richten kannst. Auf dich selbst. Auf diese Weise nimmst du auch wahr, was deine eigentlichen Bedürfnisse sind. Wenn die Wahrnehmung nur nach außen gerichtet ist, dann kann es sein, dass du an dir selbst vorbei lebst, dass du Dinge tust, die dir nicht entsprechen. Dann versuchst du vielleicht, stark zu sein, obwohl du dich dabei nicht gut fühlst. Du versuchst dann zu funktionieren, es allen recht zu machen, um dich damit zu beweisen, oder um dir Anerkennung zu verdienen. Selbstbewusstsein kommt von innen, aus der Selbst-Wahrnehmung. Dort ist auch der einzige Ort, wo du deinen Selbstwert findest. Er kommt weniger durch die Bestätigung von anderen Menschen, als dadurch, dass du dir deiner selbst bewusst bist, dass du weißt, was dir gut tut und was nicht gut für dich ist.  
    Klingt doch eigentlich ganz einfach, oder? Ist es auch, aber vielleicht ungewohnt. Du wirst dir am Anfang vielleicht etwas komisch dabei vorkommen, einfach nur mal für ein paar Minuten deinen Atem zu beobachten. Vielleicht ist dir das schon beim dritten Atemzug zu doof. Wenn du jedoch ein gutes Gefühl dabei hast (manchmal kommt es erst nach einigem Unbehagen), dann lohnt es sich, diese kleine Achtsamkeits-Übung in deinen Alltag einzubauen.  

    Ganz selten ist uns im normalen Alltag unser Atem bewusst. Noch weniger merken wir, was wir so alles fühlen und denken. Lenken wir die Wahrnehmung aber auf den Atem, auf den Körper, auf aktuelle Gefühle und Gedanken, dann erhalten wir dadurch eine Form von Selbst-Bewusstheit, die sehr befreiend sein kann. Besonders, wenn du zum ersten Mal merkst, dass du nicht vollständig „Spielball“ deiner Gedanken und Gefühle bist, kann sich das sehr gut anfühlen. Dein Selbstbewusstsein steigt, wenn du die Erfahrung machst, dass es möglich ist, aus einer negativen Gedankenspirale auszusteigen. Auch Gefühle wie Trauer oder Wut kannst du durch Achtsamkeit im Körper wahrnehmen, sodass sie dich nicht mehr komplett überrumpeln und du wie das Kaninchen vor ihnen davonlaufen musst. Du musst sie dann auch nicht mehr so stark betäuben (z. B. mit Drogen, Kaufrausch und anderen Suchtmitteln) oder gegen dich selbst oder andere zu richten (z. B. in Form von Gewalt).  

    Selbstbewusstsein ist für mich also die Fähigkeit, die eigenen Gedanken und Gefühle (besonders auch die eigenen Bedürfnisse), bewusst wahrzunehmen und sie in den Kontakt mit anderen Menschen positiv einzubringen, wenn es angesagt ist. 

    Beginne mit dem Atem. Das ist der erste scheinbar kleine Schritt mit großer Wirkung.